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08/2024
TITEL
Wie groß ist die
Fachkräftenot wirklich?
Der Ruf nach Fachkräften ist schon seit geraumer Zeit zu einem regelrechten Hilfeschrei geworden.
Die Politik, alle Kammern und Verbände, unzählige neue Gesellschaften, Agenturen und Netzwerke
überschlagen sich förmlich im Eifer, bei der Suche zu unterstützen. Der Erfolg ist angesichts des
Aufwands überschaubar. Die Folge: Der Blick wird ins Ausland gerichtet und mit wiederum sehr viel
Aufwand sieht man die Rettung vor dem Fachkräfteproblem in der zielgerichteten Migration. Doch
inzwischen tauchen Zweifel auf, ob damit dem Mangel beizukommen ist.
Bei all der Hektik und des Übereifers,
der Wirtschaft entgegenzukommen,
ist offenbar die sachliche, wissen-
schaftlich begründete Analyse der
Situation zu kurz gekommen. Die
Frage ist jedoch, welche Arbeitskräf-
te konkret werden dringend gesucht?
Wo sind die zu finden? Wie alt dür-
fen sie sein, wie flexibel einsetzbar?
Erste Erkenntnisse der Analyse las-
sen sich sehr schnell ermitteln, wenn
man einfach mal versucht zu erfahren,
was die Ausschlusskriterien für wel-
che Berufe sind. Mitunter ist es hilf-
reicher zu erfahren, warum bestimmte
Bewerber nicht in Frage kommen, an-
statt ständig zu wiederholen, was ge-
braucht wird.
aspekt hat sich mit dem Thema
schon länger beschäftigt und hier und
da auch Umfragen gestartet. Dabei
zeigte sich sehr schnell, dass nicht nur
hochqualifizierte
Mitarbeiter,
son-
dern auch hochspezialisierte Kräfte
gesucht werden. Das sind neben IT-
Spezialisten, die auf der ganzen Welt
knapp sind, vor allem Menschen, die
sehr spezielle Aufgaben mit sehr mo-
derner und spezieller Technik erfüllen
können. Und genau da ist die Crux: je
höher der Spezialisierungsgrad, desto
schwieriger ist es, den Mann oder die
Frau zu finden, der oder die genau auf
diese Jobanforderung passen. In einer
früheren Ausgabe haben wir uns unter
dem Titel „Kollege nach Maß“ mit die-
sem Thema befasst.
Unter dieser Vorgabe den richtigen
Mitarbeiter zu finden, ist ein reiner
Glücksfall. Die Schlußfolgerung da-
raus kann nur lauten, mit einer ziel-
gerichteten Qualifizierung, mit Wei-
ter- oder Ausbildung die Fähigkeiten
zu entwickeln, die für die Ausübung
einer solchen hochspezialisierten Tä-
tigkeit nötig sind.
Mit anderen Worten muss die im
übertragenen Sinn berühmte Schul-
bank gedrückt werden. Das zu orga-
nisieren, kann aber den Unternehmen
niemand abnehmen. Eigene Quali-
fizierungszentren, die es hier und da
bereits gibt, entspannen die Fachkräf-
tesuche. Allerdings ist das mit einem
hohen materiellen und personellen
Aufwand verbunden, den sich wieder-
um nur große gewinnträchtige Firmen
leisten können. Aber was machen die
kleinen und mittelständischen Betrie-
be? Für sie bleibt die Ausbildung jun-
ger Leute, die Suche nach Azubis. Und
vor allem sollten die nach der Lehre
auch im Betrieb gehalten werden.
Geld ist da nur eine Möglichkeit, aber
Großunternehmen haben auch da bes-
sere Karten. Guter Rat ist teuer. Was
man dennoch so machen kann, ist auf
den Folgeseiten dieses Titelthemas zu
erfahren.
Die zweite Erkenntnis unserer Ana-
lyse waren die einfachen Tätigkeiten,
die keine tiefgreifende Qualifizierung
verlangen. Solche Fach- und Hilfskräf-
te sind mindestens genauso begehrt,
wie die hochqualifizierten Spezialis-
ten. Angesichts von rund zwei Milli-
onen Menschen in Deutschland ohne
Arbeit muss man sich natürlich fra-
gen, wie hoch davon der Anteil derer
ist, die aus Krankheits- oder anderen
Gründen nicht zu einfachen Tätig-
keiten herangezogen werden können
oder keine Ausbildung haben.
Unsere nicht repäsentativen Un-
tersuchungen haben allerdings im
Gegensatz dazu gezeigt, dass unter
den Arbeitslosen viele Menschen eine
fachliche Ausbildung in Berufen ha-
ben, die aber offenbar nicht besonders
gefragt sind. Nun ist es einer 58jähri-