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L Ä N G S T LEGENDE –
30 Jahre Die Streuner
„In jeder wahrhaft großen
Stunde … hab‘ ich dich ange-
rührt.“ Diese gewaltigen Worte
lässt Hugo von Hoffmannsthal
den Tod in seinem Werk „Der
Tor und der Tod“ sprechen. Ins-
piriert ist das Werk vom soge-
nannten Lübecker Totentanz, ei-
ner kirchlichen Bilderreihe aus
dem Mittelalter, die damals in-
haltlich für Furore gesorgt ha-
ben dürfte. Sie zeigt, wie der Tod
ständeübergreifend
wirkt.
Er
„holt“ sich Kaiser und Kaiserin,
Edelmänner und -frauen, Hand-
werker und Küster, und am
Ende sogar den
Papst. Eine macht-
volle Botschaft: Ge-
genüber dem Tod
sind alle Menschen
gleich. Von da ist es
nicht mehr weit bis zu
der Frage: Warum sind
sie es im Leben so oft
nicht?
Für die Künstlerin Li-
dia Buonfino war der Lü-
becker Totentanz und sein
inhaltliches
Nachwirken
über die Jahrhunderte wie
im Text von Hoffmannsthal
die passende Grundlage für
eine neue spektakuläre Eigen-
produktion für das Kaltenber-
ger Ritterturnier. „Wir wollten
etwas schaffen, das eine Emoti-
onalität abdeckt, die es so auf
dem Turnier noch nicht gab“,
sagt Buonfino. „Etwas poeti-
sches, lyrisches, dunkles.“ Ge-
meinsam mit Lova Rimini, Meike
Münch und Florentine Hoffmann
inszenierte sie 2023 erstmals den
Kaltenberger
Totentanz.
Eine
morbide wie glamouröse Perfor-
mance, die unter die Haut ging.
In diesem Jahr bekommt das
Spektakel eine noch größere
Bühne und wird auch in der Are-
na vor Beginn der Turniershow
zu sehen sein. Allein die Tatsa-
che, dass der Tod beim Kalten-
berger Totentanz eine Frau ist,
lässt bereits aufhorchen.
Und im Laufe der anrührenden
wie eindringlichen Performan-
ce wird etwas anderes eben-
falls immer klarer: Es geht
beim Kaltenberger Totentanz
weniger ums Sterben als viel-
mehr ums Leben. Oder wie es
Hugo von Hoffmannsthal in ei-
nem seiner Verse ausdrückt,
der ebenfalls Teil der Perfor-
mance ist: „Du Tor! Du schlim-
mer Tor, ich will dich lehren,
das Leben, eh du‘s endest, ein-
mal
ehren.“
Der
Tod
als
Schlüsselmoment,
um
die
Großartigkeit des Lebens zu
begreifen.
D AN SE M ACA B R E –
der Kaltenberger
Totentanz
Wenn die Streuner in Kalten-
berg aufspielen, steigt mit jeder
Minute die Quote an fröhlichen
Gesichtern im Publikum. Andere
Musikgruppen können vielleicht
Ekstase oder den ganz großen
Wumms, die Streuner aber produ-
zieren einfach gute Laune, wie
kaum eine andere Band. Und das
seit nunmehr 30 Jahren. Wäre die
Band ein Paar, würde sie in die-
sem Jahr Perlenhochzeit feiern.
Fragt man Carsten Hickstein
nach dem Erfolgsrezept, welches
ein solch langes Zusammensein
ermöglicht hat, muss er zuerst la-
chen, aber keinen Moment über-
legen. Punkt 1 des Streuner-Er-
folgsgeheimnisses,
ist
sich
Carsten sicher, sei die Fähigkeit,
jedem Bandmitglied, die nötigen
Freiräume zu geben. „Wir sind
nicht so eng, dass wir uns auf den
Geist gehen. Und wir sind nicht
so weit auseinander, dass wir Ge-
fahr laufen, uns zu verlieren.“
Punkt 2 liege wohl im Reper-
toire begründet. „Wir spielen
Markt- und Tavernen-Musik aus
sechs Jahrhunderten“, erklärt
Carsten. Da könne es schonmal
vorkommen, dass ein schöner
Text von Heinrich Heine oder
Clemens Brentano in mittelalterli-
che Melodien gekleidet wird.
Oder ein 200 Jahre altes bekann-
tes Volkslied eine Zeitreise ins
Mittelalter antrete. Hundert Pro-
zent authentisch sei das zwar
nicht. „Aber für uns ist die Haupt-
sache, dass das Endergebnis den
Menschen Spaß bereitet.“ Noch-
mal ein kurzer Check der Fröhli-
che-Gesichter-Quote im Publi-
kum: Der Plan der Streuner geht
definitiv auf. Eigenkompositionen
und mittelalterliches Liedgut gibt
es bei den Streunern aber natür-
lich auch.
Wobei wir bei Punkt 3, der
dritten und letzten Erfolgszutat
der Gruppe wären: Die Streuner
sind einfach die Streuner. „Die
Leute wissen, was sie bei uns be-
kommen. Was wir machen, ist für
sie greif- und nahbar. Wir sind die
Jungs und Mädels aus der Taver-
ne. Etwas anderes könnten wir
gar nicht.“ Und so bereichern die
Streuner mit ihren Liedern die
Mittelalterwelt auf Schloss Kal-
tenberg immer auch mit ein biss-
chen Sonnenschein und einer
friedvollen Atmosphäre, die jeden
mitreißt. Sogar die Schwarzen Rit-
ter, die auch schon mal die Wald-
bühne einnehmen, um mit den
Bandmitgliedern zu tanzen. „Ein
legendärer Auftritt.“ Dem in die-
sem Jahr weitere folgen werden.
Und zwar in großer Jubiläumsbe-
setzung mit fünf statt wie gewohnt
mit vier Musikern und Musikerin-
nen. Na, das kann was werden.
Die Streuner // 1. und 2.
Wochenende auf der Waldbühne
Fröhliche Tavernen-
und Marktmusik
Eine Performance, die
unter die Haut geht