aspekt_06_2024-ES
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06/2024
TITEL
Den Zusammenhang zwischen Woh-
nen und Leben muss man nieman-
dem erklären. Er ist spätestens dann
ofensichtlich, wenn man eine neue
Wohnung sucht, weil es familiäre oder
berufiche Veränderungen gibt. Je
nachdem, ob der Umzug in eine Groß-
stadt oder auf das fache Land geht
– die Bedingungen zu Angebot und
Mietpreis sind extrem unterschiedlich.
Jens Zillmann, Verbandsdirektor der
Wohnungswirtschaf Sachsen-Anhalt,
kennt wie nur wenige den Wohnungs-
markt in Sachsen-Anhalt in all seinen
Facetten. aspekt sprach mit ihm.
: Bundesweit spricht man von ei-
ner katastrophalen Lage des Wohnungs-
marktes, weil zu wenig gebaut wurde.
Gilt das auch für Sachsen-Anhalt?
Jens Zillmann: Nein. Voranstellen
muss man aber, dass unsere Kernauf-
gabe, und da spreche ich für die orga-
nisierte, sozialorientierte Wohnungs-
wirtschaf, darin besteht, die Bestände
zukunfsfähig zu machen und punktu-
ell auch zu erweitern. Immerhin haben
wir in einigen Gegenden, insbesonde-
re auf dem fachen Land, nach wie vor
einen erheblichen Leerstand. In den
Großstädten ist die Lage deutlich besser,
aber Probleme gibt es auch hier genug.
Man kann also nicht pauschal urteilen,
sondern muss sehr genau diferenzieren.
: Stichwort Bestände. Von wel-
chem Umfang sprechen wir da, bezogen
auf die Mitgliedsunternehmen, denn es
gibt ja auch noch private Vermieter und
Gesellschafen?
Jens Zillmann: Zum Verband der
Wohnungsgesellschafen, den ich vertre-
te, gehören 78 Wohnungsunternehmen.
Der Verband der Wohnungsgenossen-
schafen umfasst mit Stand 2022 exakt
108. Zusammen stehen wir für mehr als
330 000 Wohnungen und annähernd
650 000 Mieter. Allein an diesen Zahlen
sieht man, dass die Unternehmen unse-
rer Verbände eine enorme Verantwor-
tung für die Lebensbedingungen von
sehr vielen Menschen besitzen. Dazu
gehört, dass wir in Sachsen-Anhalt
(Stand 2023) in unseren Wohnungen
eine Durchschnittsmiete von 5,26 Euro
je Quadratmeter haben, also für jeden
Geldbeutel ein Angebot besteht.
: So ein Durchschnitt hebt natür-
lich jede Diferenzierung auf. Aber trotz-
dem: Wenn es ums Geld geht, die Bestän-
de erhalten und erweitert werden sollen,
dann muss man auch genau rechnen…
Jens Zillmann: Wohl wahr. Ofen-
bar nimmt manch einer an, dass Woh-
nungsunternehmen per se im Überfuss
leben. Dem ist aber nicht so. Viele un-
serer Mitgliedsunternehmen überlegen
sehr genau, wie sie agieren müssen, um
überhaupt die Kosten zu erwirtschafen.
Und bei allen politischen Wünschen
gilt natürlich immer das Gebot der
Wirtschaflichkeit! Unsere Mieter sind
zudem mit extrem gestiegenen Ener-
giekosten konfrontiert, was die Umla-
gefähigkeit für Investitionen weiter ein-
schränkt.
: Trägt angesichts der Bedeutung
der Wohnungswirtschaf nicht auch die
Politik Verantwortung im Sinne der Da-
seinsvorsorge?
Jens Zillmann: Natürlich, das tut sie
auch. Allerdings nicht in ausreichen-
dem Maße. Die Fördermittelpolitik von
Bund und Land im Wohnungswirt-
schafsbereich – das betrif den Erhalt,
die Modernisierung, Barrierefreiheit
und vieles andere mehr – ist bei weitem
nicht mit den Mitteln ausgestattet, die
für die Erfüllung der Aufgaben nötig
wäre.
: Das heißt konkret?
Jens Zillmann: Schaut man in den
Kernhaushalt des Bundes, dann stehen
da einsame vier Milliarden Euro für
Wohnungspolitik in Gesamtdeutsch-
land zur Verfügung. Zum Vergleich: der
Kernhaushalt des Bundes liegt bei 476
Milliarden Euro. Bei einem Haushalt
des Landes Sachsen-Anhalt von knapp
15 Milliarden Euro bleiben für die Woh-
nungsbauförderung in unserem Bun-
desland noch gerade mal sieben Milli-
onen Euro übrig. Ein Tropfen auf den
heißen Stein.
: Welche Rolle spielt der Leer-
stand an Wohnungen in Sachsen-Anhalt,
auch mit Blick auf die Demografe der
Zukunf?
Jens Zillmann: Das ist gleich ein gan-
zes Paket von Problemen. Wir gehen
allein im ländlichen Raum von einem
Leerstand von etwa 30 000 Wohnungen
aus. Leerstand bedeutet immer Liqui-
ditätsverzehr, da trotz fehlender Miet-
einnahmen die Kosten für den Erhalt
der Gebäude ebenso wie die laufenden
Kosten für Versicherung, Pfege der Au-
ßenanlagen, Winterdienst und anderes
zu leisten sind. Wir müssen auch dring-
lich die Alterung und Schrumpfung der
Bevölkerung in Sachsen-Anhalt einbe-
ziehen. Nach vorläufgen Ergebnissen
kamen in Sachsen-Anhalt 2023 rund
13 550 Kinder lebend zur Welt. Wie das
Statistische Landesamt mitteilt, waren
das 960 Kinder weniger als im Vorjahr.
Damit hielt der Geburtenrückgang in
Sachsen-Anhalt seit 2017 an. Dagegen
Wohnungsunternehmen stehen vor
gewaltigen Herausforderungen
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