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04/2024
TITEL
TITEL
Durch seine Arbeit als Richter in sei-
ner Geburtsstadt kam Hermann Schul-
ze-Delitzsch in Berührung mit der
Armut der Handwerker. Delitzscher
Schuhmacher und Tischler litten unter
Massenfertigung in den Fabriken und
hatten mit enormem Preisdruck zu
tun. Sie konnten ihre Produkte kaum
noch verkaufen und wussten nicht
mehr, wovon sie leben sollten.
Als er 1848 linksliberaler Abgeordneter
in der Preußischen Nationalversamm-
lung wurde, suchte er nach politischen
Lösungen für das Problem: Die Schaf-
fung von Handwerkerbanken wurde dis-
kutiert. In dieser Zeit hatte er auch sei-
nen Namen mit dem seiner Heimatstadt
ergänzt, wohl auch, um dem häufgen
Namen Schulze etwas Unverwechselba-
res hinzuzufügen.
Doch so richtig gelang es dem Juristen
nicht, seine Idee durchzusetzen. Viel
Skepsis, ob die einfachen Menschen
überhaupt in der Lage seien, solche
wirtschaflichen Gemeinschafen erfolg-
reich zu organisieren, begegnete ihm
stattdessen. Doch so schnell wollte Her-
mann Hermann Schulze-Delitzsch nicht
aufgeben. 1849 gründete er in Delitzsch
mit den heimischen Handwerkern die
erste Tischler- und Schuhmacher-Asso-
ziation als Einkaufsgenossenschaf. Es
war die erste Genossenschaf Deutsch-
lands. Gemeinsam erstandene Rohstofe
erlaubte es den Handwerkern, günstiger
zu produzieren. Herrmann Schulze-
Delitzsch dachte aber noch weiter und
wurde so zum Begründer der Kreditge-
nossenschaf.
Schließlich war das größte Problem,
dass die Handwerker kaum Kapital hat-
ten. Vor dem Hintergrund waren auch
die Banken nicht willens, Kredite aus-
zureichen. Also gründete Schulze-De-
litzsch mit den örtlichen Handwerkern
am 10. Mai 1850 den „Vorschussverein“.
Die Idee dahinter: Aus eingezahlten Mit-
gliedsbeiträgen sollten günstige Kredite
gewährt werden. Zunächst funktionierte
das nicht. Die Mitgliedsbeiträge deckten
nicht einmal die Verwaltungskosten des
Vom Vorschussverein zur
stärksten Wirtschaftsorganisation
1849 wurde in der sächsischen Kleinstadt die erste Genossenschaft Deutschlands gegründet.
Von Hermann Schulze-Delitzsch, der diesen Namen aus Verbundenheit zu seiner Heimatstadt
annahm. Seine Genossenschaftsidee steht heute sogar auf der Unesco-Liste des immateriellen
Kulturerbes, hat all die Jahrzehnte, die politischen Wirren und Kriege überlebt. Oft wurde versucht,
den Genossenschaftsgedanken zurückzudrängen, aber verloren gegangen ist er nie.
Hermann Schulze-Delitzsch
gründete 1850 den Delitz-
schen Vorschuss-Verein,
welcher als Vorläufer der
Genossenschaftsbanken gilt.
Die 1874 in der „Gartenlaube“
erschienene Radierung von
Hermann Lüders zeigt ihn
bei einer Rede vor dem
Deutschen Reichstag.
Bild: Hermann Lüders/Die Gartenlaube via genossenschaftsgeschichte.info